Die Studie des Centro Brasileiro de
Informações Sobre Drogas Psicotrópicas (Cebrid, Brasilianisches Zentrum
für Informationen zu psychotropen Substanzen, Anm.) von der
Universidade Federal de São Paulo (Unifesp, Universität São Paulo, Anm.), liefert einige
Anhaltspunkte, welche Auswirkungen das wachsende Crack Problem auf die Bevölkerung hat. In einer Erhebung haben
77,1 Prozent der Befragten, die ein- oder zweimalige Verwendung im
Leben von Kokain oder Crack, als gravierendes Risiko eingeschätzt,
während der Wert für Marihuana, bei 48,1 % lag. Die ein- bis
zweimalige Einnahme pro Woche von Alkohol stellte für 20,8 % der
Befragten ein großes Risiko dar. Die Daten betreffend Crack
bestätigen das, was unter Brasilianern als common sense gilt: dass
die Droge „beim ersten Zug“ süchtig macht, dass sie schnellen
körperlichen und moralischen Abbau verursacht, dass sie familiäre
Destrukturierung verursacht und sehr schnell tötet, etc.
Sergio Alarcon bestätigt, dass Ursache
und Wirkung sehr oft verwechselt werden, wenn es um Crack geht.
„Crack ist keine andere Droge als Kokain: Es ist das Kokain selbst,
das zu einer rauchbaren Mischung verarbeitet wird. Der Erfolg der
Droge hat mit den niedrigen Kosten ihrer Produktion und der
Beschaffung zu tun. Crack ist zum Kokain der ärmeren
Bevölkerungsschichten geworden. Es hat nur die anderen Drogen
ersetzt, die schon immer gegen den physischen und moralischen Schmerz
verwendet wurden, der durch die Armut erzeugt wird. Crack entblößt
die menschliche Not vor denjenigen, die sie sicherlich in der
Unsichtbarkeit bevorzugen“, führt er aus. Tarcidio Andrade fügt
hinzu, dass die Droge wie gemacht ist, für einen von der Armut
gekennzeichneten sozialen Kontext. „Wenn man sagt, dass jemand, der
Crack verwendet, auf der Straße, ja in der Gosse enden wird,
vergisst man, dass die Straße und die Gosse schon vor dem Crack
existiert haben. Und wahrscheinlich stellt das Crack für die Leute,
die auf den Straßen unter extrem benachteiligten Bedingungen leben,
eine Unterstützung dar, um ihren Gemütszustand, angesichts einer
schrecklichen Realität, zu verbessern. Crack ist ein Stimulans, ein
Antidepressivum, es lindert den Hunger von schlecht Ernährten. Auch
wenn es einen Suchtkreislauf gibt, hat dieser nicht mit der Droge
begonnen, sie tritt erst in einem sekundären Moment ein“, schließt
er.
Die größte
Schwierigkeit, die das Crack mit sich bringt, so Alarcon, ist es
nicht, die gewalttätigen Süchtigen zu behandeln, sondern es zu
schaffen, die Armut, die viele Menschen erst zur Droge bringt, zu
beenden. „ Alle, die auch nur die geringste Ahnung von psychischer
und öffentlicher Gesundheit haben, wissen was man machen kann und
wie man es machen kann, und deshalb wollen wir die Implementierung
von öffentlichen Einrichtungen, die von der SUS (Sistema
Único de Saúde, öffentliches Gesundheitssystem, Anm.)
empfohlen werden. Das Schwierigkeit liegt darin, wie man es schaffen
kann diese Leute aus der extremen Armut zu retten und wie man es
vermeiden kann, dass weiterhin extrem arme Menschen fabriziert
werden, verlassene Kinder und Jugendliche, die einmal auf den
Straßen, auf andere Drogen treffen werden, die viel zerstörerischer
sind als Crack, wie die sexuelle Ausbeutung, ansteckende Krankheiten
und extreme Gewalt, die Gewalt des Staates mit eingeschlossen“,
sagt er.
Im Artikel Causa mortis em usuários de
crack (Todesursachen von Crack-Rauchern, Anm.), der 2006
veröffentlicht wurde, haben Forscher des Fachbereichs Psychiatrie
der Universität São Paulo dargelegt, dass die Sterblichkeit dieser
Menschen viel mehr mit Gewalt und Anfälligkeit für ansteckende
Krankheiten in Verbindung steht, als mit dem eigentlichen
Substanzkonsum. Die Studie hat 131 Cracksüchtige in São Paulo, die
sich selbst in eine Entzugsstation eingeliefert hatten, fünf Jahre
lang begleitet. Nach Ablauf der fünf Jahre sind von den 124
Patienten, die ausfindig gemacht wurden, 23 gestorben, wobei 13
ermordet wurden.
Weitere sechs Patienten sind an Folgen
von AIDS gestorben und einer an Hepatitis B. Weitere zwei Patienten
sind an einer Überdosis gestorben und einer ist ertrunken.
Die Hälfte der verstorbenen Patienten
war jünger als 25. Die Studie hat gezeigt, dass es für einen
Cracksüchtigen, während des Studienzeitraums in São Paulo, sieben
Mal wahrscheinlicher war zu sterben, als für die allgemeine
Bevölkerung.
„Viele Crack-Raucher verwenden die
Droge, weil sie dadurch mehr Energie haben und sie müssen ja längere
Zeit wach sein, weil sie in sehr lebensbedrohlichen Situationen
leben. Es ist eine Illusion, was in Bezug auf das Crack in Umlauf
gebracht wird, nämlich dass es übermächtig ist und schnell tötet.
In Wirklichkeit haben diese Menschen ein sehr fragiles Leben, aber
nicht notwendigerweise nur wegen dem Crack“, legt Marco Aurélio
dar.
Die Forscher der Universität São
Paulo, Ligia Bonacim Duailibi, Marcelo Ribeiro und Ronaldo Laranjeira
überprüfen im Artikel „Perfil dos usuários de cocaína e crack
no Brasil“ (Profil von Crack- und Kokainkonsumenten in Brasilien,
Anm.) andere akademische Artikel, die über das Thema in Datenbanken
und in der Dissertationsdatenbank der Coordenação de
Aperfeiçoamento de Pessoal de Nível Superior (Capes) verfügbar
waren. Laut dieser Erhebung ist ein typischer Cracksüchtiger jung,
arbeitslos, hat geringe Schulbildung, hat wenig Geldmittel, kommt aus
einer destrukturierten Familie, hat eine Vorgeschichte mit
injizierbaren Drogen und risikoreiches Sexualverhalten. Diese
Faktoren, so der Artikel, machen den Crackkonsumenten zu jemanden,
der schwer von einer Behandlung zu überzeugen ist, deshalb besteht
die Notwendigkeit, intensivere und geeignetere Ansätzen in jeder
Phase der Behandlung einzusetzen.“
Außerdem werden im Artikel andere
Schwierigkeiten zur Beibehaltung der Behandlung dargelegt: „Der
Konsum wird nicht als Problem anerkannt, abgesehen davon ist der
illegalen Status und die Kriminalität, die mit der Droge in
Verbindung steht, ein Problem, außerdem kommt es zu Stigmatisierung
und es gibt Vorurteile, und schließlich fehlen Zugangsmöglichkeiten
zu existierenden Einrichtungen oder die Akzeptanz dieser
Einrichtungen.“ Unter den Hilfestellungen, die größere Zustimmung
finden, sind die Drogenersatztherapie, Selbsthilfegruppen, Behandlung
von Müttern und der Familie und allgemeinmedizinische Behandlungen.
Die Forscher schließen mit der Behauptung, dass die Informationen
bezüglich des Crack- und Kokainkonsums in Brasilien „noch jenseits
des Wünschenswerten sind, im
Speziellen, wenn öffentlichkeitspolitische Aktionen nur zu erahnen
sind, die wissenschaftliche Beweise berücksichtigen und die
Fähigkeit haben, auf alle Besonderheiten einzugehen, die mir der
Vorbeugung und der Behandlung dieser Substanzen zu tun haben.
Andererseits, wurden in den letzten 20
Jahren ein wachsendes Bewusstsein für das Thema festgestellt […]
Neue epidemiologische Studien und Erhebungen sind in allen
untersuchten Bereichen notwendig.“
Die Reportage der Poli hat die
Pressestelle des Gesundheitsministeriums kontaktiert, um einen
Interviewtermin festzulegen, wurde aber darüber informiert, dass das
Amt nicht über das Thema spreche.
von
André
Antunes
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