Freitag, 29. März 2013

Das Profil einer Bevölkerung, die die Straße zur Adresse hat

Die Mehrheit ist männlich, aus Rio, zwischen 25 und 59 Jahre alt und verwendet Drogen

RIO- Wer an der Ecke der Straßen Riachuelo und Silvio Romero im Zentrum von Rio vorbeikommt, wird den 51 Jährigen Romeo Humberto de Medeiros nicht von den anderen Obdachlosen unterscheiden. Er ist ca. 170 groß, hat grünliche Augen, hat schon in der Barra (da Tijuca, Stadtviertel in Rio, Anm.) gewohnt und spricht Englisch und ein bisschen Französisch, Spanisch und Italienisch. Wenn Romeo, den seinen Kollegen auf der Straße „Professor“ nennen, darauf angesprochen wird, zitiert er den deutschen Poeten und Schriftsteller Chales Bukowski und den Italiener Niccolo Machiavelli, Autor des Werkes „Der Fürst“. Er erzählt, dass er jahrelang in bekannten Englischschulen gearbeitet hat, bevor er 2003 aus familiären Gründen und wegen dem Alkohol obdachlos geworden ist.

Die Bevölkerung, die zusehends auf den Straßen der Stadt wächst – es sind 6300 Personen, nach Schätzungen der Secretaria municipal de Desenvolvimento Social (Stadtregierung, Abteilung für Soziale Entwicklung, Anm.): eine Steigerung um 31,25 % in zwei Jahren – sie hat Gesichter, die nicht bemerkt werden, wegen den zerlumpten und dreckigen Körpern, die auf Kartons und Zeitungsresten auf den Gehsteigen liegen. Was durch die Eile der Fußgänger verborgen bleibt, offenbart eine Studie der Stadtregierung: die 22321 Befragungen, die von Jänner bis Dezember des vergangenen Jahres gemacht wurden ergaben, dass die überwiegende Mehrheit der Obdachlosen männlich, zwischen 25 und 59 Jahren, ohne Anstellung, ohne Dokumente und Konsument irgendeiner Art von Droge ist.

Es sind Geschichten die sich wiederholen, aber jeder Einzelne auf der Straße hat einen dramatischen Hintergrund. Schließlich wird niemand von einem Tag auf den anderen obdachlos. Was bringt jemanden dazu sein Bett mit Kartonstücken zu tauschen? Wir haben die Daten geordnet und gehen jetzt auf die Einzelheiten der Fälle ein. Die Menschen sind zu unterschiedlich, um sie allgemein zu behandeln. Wenn jemand obdachlos wurde, weil er seine Arbeit verloren hat, braucht er Zugang zu Requalifizierungsmaßnahmen, zu Kursen. Wenn es wegen Drogen war, besteht die Lösung aus einer speziellen Entzugsbehandlung.- erklärt der secretário municipal de Desenvolvimento Social Adilson Pires, der im April einen Public Policy Plan fertig haben möchte, um diese Menschen zu betreuen.

Von allen befragten Personen (Viele verlassen die Straßen und kommen später wieder zurück, deshalb werden sie möglicherweise öfter als einmal befragt) ist die große Mehrzahl direkt aus Rio. Aber fast ein Drittel kommt aus anderen Gemeinden, auch aus anderen brasilianischen Bundesstaaten. Es gibt sogar einige die aus anderen Ländern kommen. Unter den wichtigsten Motiven, die als Gründe dafür angegeben werden, sein zu Hause mit der Straße zu tauschen, benennen die Obdachlosen familiäre Konflikte und Drogenkonsum.

Laut dem Secretário, ist die Anzahl der Obdachlosen nicht nur größer geworden, weil die Bevölkerung Rios insgesamt gewachsen ist, sondern auch weil die Chancen auf größere Einkünfte in der Stadt, aufgrund der Investitionen wegen der großen Events die hier stattfinden werden nachdrücklich gewachsen sind. Dadurch werden Leute aus anderen Gemeinden und sogar aus anderen Bundesländern angezogen, auf der Suche nach guten Gelegenheiten. Um diejenigen wieder zurück in ihre Städte zu bringen gibt es das Projekt „De volta à terra natal“ (Zurück in die Heimat, Anm.). Dadurch wurden allein zwischen 23. Jänner und 25. Februar 36 Personen mit ihren Familien zusammengeführt, wobei die Rückreisen bezahlt wurden, in manchen Fällen sogar eine Flugreise. Von den Rückkehrern sind die meisten Erwachsene zwischen 30 und 59 Jahren (die Mehrzahl Männer), aber es gab auch zwei Fälle von Kindern unter sechs Jahren. Alle wollten nach Hause zu ihren Verwandten, die von Mitarbeitern der Stadtregierung ausfindig gemacht wurden zurückkehren, die große Mehrzahl in der Region Sudeste. Für die Reisen wurden 7928,86 Reais bezahlt, wobei 6913 für Busreisen ausgegeben wurden.

„Wir werden in Rio internationale Events haben, die die Logik der „Hygienisierung“ inspirieren könnten. Wir werden das so nicht durchführen, dass wir alle von der Straße wegbringen, nur um sie nicht mehr da zu haben. Was werden wir mit so vielen Leuten machen, nicht nur während der WM, sondern auch während der olympischen Spiele? Wir müssen ihnen Alternativen geben“ sagt Adilson. Die Befragungen finden täglich statt, an verschiedenen Punkten der Stadt. Ein Großteil der Befragten akzeptiert Obdachlosenunterkünfte, aber diese Orte sind keine permanente Lösung.

Aber die Stadtregierung hat noch eine große Herausforderung zu bewältigen, wissen diejenigen, die mit den Obdachlosen arbeiten. Laut dem Sozialarbeiter Marcelo Jaccoud vom Conselho Estadual de Assistência Social (Vertretung der Sozialarbeiter, Anm.), sollten die Unterkünfte mit 3500 Plätzen rechnen. Er spricht auch von einem Gesetz, dem Lei Federal 12.435/11, das die Implementierung von Gemeinschaftszentren für Personen, die auf der Straße leben und Unterkünfte mit maximal 50 Plätzen vorsieht:

„Diese Maßnahmen garantieren die individuelle Betreuung die die Menschen brauchen. Es führt zu nichts diese Menschen zehn Mal zum selben Ort zu bringen ohne, dass sich eine Lösung der Probleme jedes Einzelnen findet.“

Weiter spricht Jaccoud davon, dass der Mythos, dass diese Leute nicht von der Straße weg wollen nicht wahr ist:

Fast täglich betreue ich Menschen, die nach Unterkünften suchen und in vielen Fällen bin ich gezwungen zu sagen, dass es keine Plätze gibt. Es passiert häufig, dass die Leute von der Stadtverwaltung zu den Unterkünften gebracht werden, speziell zur Unterkunft Paciência, wo sie dann nicht hinein dürfen, weil es keine Plätze mehr gibt. Alle Obdachlosen sind aufgrund eines oder mehrerer Probleme auf der Straße gelandet. Keiner hat es sich einfach so ausgesucht. Sie brauchen die Aussicht darauf, dass sich ihr Leben bessern könnte.“

Glória Miranda, die Koordinatorin des Centro Nacional de Defesa dos Direitos Humanos da População de Rua (Nationales Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte der Obdachlosen, Anm.), die Anzeigen von Obdachlosen aufnimmt, berichtet von Fällen in denen Obdachlose sich an die Central de Recepção (zentrale Vermittlungsstelle, Anm.) wenden, ein Organ des Stadtteiles Ilha do Governador, und Tage auf einen Platz in einer Notunterkunft warten. Und weiter: die Zeiten zu denen man in der Unterkunft bleiben darf sind von 18 Uhr bis 7 Uhr. Danach sind die Obdachlosen dazu gezwungen den Tag auf der Straße zu verbringen.

„Bei vielen Leuten kommt es dazu, dass sie auf eine Unterkunft verzichten. Außerdem haben wir Meldungen bekommen, dass Drogendealer in die Unterkunft Paciência einfallen,wenn sie Konfrontationen mit der Polizei aus dem Weg gehen wollen. Wir haben Informationen, dass die Dealer sogar die Mahlzeiten mit den untergebrachten Obdachlosen teilen“ sagt Gloria.

Zu den fehlenden Plätzen in den Unterkünften teilt die Secretaria municipal de Desenvolvimento Social mit, dass das Angebot kompatibel ist, mit den Aufnahmeaktionen, die von der Stadtregierung im Rahmen einer Politik der Wiedereingliederung der obdachlosen Bevölkerung durchgeführt werden. Was die Central de Recepção betrifft, hat diese Einrichtung das Ziel einen individuellen Handlungsplan für die aufgenommenen Obdachlosen zu erstellen. Diese Arbeit umschließt Wiedereingliederung in die Familien, Ausstellung von Dokumenten, medizinische Behandlung und Betreuung durch ein multidisziplinäres Team. Wegen diesen Serviceleistungen verlassen die Untergebrachten die Unterkünfte während des Tages und kommen abends zurück um zu übernachten. Die Secretaria teilt außerdem mit, dass es keine Berichte von Drogenhandel im Zuständigkeitsbereich von Rio Acolhedor in Paciência gibt.


(26.3.)
von Paula Autran, Waleska Borges

Dienstag, 26. März 2013

„Das neue Gesetz bedeutet einen zivilisatorischen Fortschritt, der spät kommt“, sagt der frühere Arbeitsminister

Der Ökonom Walter Barelli glaubt, dass die Zustimmung zum PEC (Proposta de Emenda da Constituição, Vorschlag zur Abänderung der Verfassung, Anm.) Entlassungen mit sich bringen wird - und dass die Realität der brasilianischen Hausangestellten sich mehr und mehr an die der Europäischen und Nordamerikanischen anpassen sollte.

Der Fortschritt der Wirtschaft, der in den letzten Jahren tausende neue Jobs geschaffen hat, wird für das Ende, zumindest einer Art von Arbeit verantwortlich sein: die Arbeit der Hausangestellten. Unverwechselbare weibliche Karikatur, literarische Figur, Protagonistin von Telenovelas und hingebungsvolle Gegenwart in den Heimen der brasilianischen Mittelschicht, wird der Beruf der Hausangestellten der Vergangenheit angehören, genau so wie es in den entwickelten Ländern eingetreten ist. In der kommenden Woche wird dem Proposta de Emenda da Constituição (PEC) nº 66/2012, der auch PEC der Hausangestellten genannt wird, wahrscheinlich im Senat zugestimmt. Der Vorschlag sieht die Erweiterung der Rechte dieser Arbeitskategorie vor- und als Konsequenz daraus die Verteuerung der Kosten für Familien. In der Beurteilung des früheren Arbeitsministers, des Ökonomen Walter Barelli, bedeutet der konstitutionelle Schutz paradoxerweise die Verbesserung und gleichzeitig das Ende dieser Arbeit - wenigstens in der Form, in der sie bisher geleistet wurde.

In einem Interview auf der Site der VEJA, argumentiert Barelli, dass es offenkundig ist, dass einige Arten von Berufen nicht weiter existieren werden - oder selten werden, genauso wie Brasilien mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und dem Arbeitnehmerentgelt vorankommt. „Das neue Gesetz ist ein zivilisatorischer Prozess, der spät kommt. Als Konsequenz daraus wird die Tendenz dahin gehen, dass Hausangestellte nur sehr wenigen Familien vorbehalten sein werden. Die Hausangestellten werden sich den Anforderungen  nicht mehr unterwerfen“ sagt der Ökonom, der auch secretário de Relações com o Trabalho (Staatssekretär für Arbeitsbeziehungen, Anm.) in den Regierungen von Mário Covas und Geraldo Alckmin (in São Paulo, Anm.) war.

Der Anstieg der Löhne dieser Berufsgruppe ist bereits in allen Regionen des Landes Realität. Nur mehr wenige verdienen den Mindestlohn von 678 Reais. Auch wenn die finanzielle Situation und die Rechte verbessert werden, die dann nahe an dem Standard sind, der von der Consolidação das Leis do Trabalho (CLT, legislative Norm, die die Arbeitsbeziehungen regelt, Anm.) erwartet wird, geht die Tendenz dahin, dass Berufe bevorzugt werden, die weniger anstrengend sind. Der Lohn einer Verkäuferin zum Beispiel kann sogar mit dem Verdienst einer Hausangestellten verglichen werden. Aber von vielen Frauen wird die Arbeit als Hausangestellte nicht als angenehme Arbeit angesehen. Nicht wegen der Art der Tätigkeiten, sondern wegen der Anstrengungen“, bekräftigt der Ökonom. Im Folgenden Teile des Interviews.

Die Entwicklung des Bildungswesens und des Arbeitsmarktes hat das Angebot an Hausangestellten vermindert. Was sind die Auswirkungen dieser Situation auf den Arbeitsmarkt?
Wir müssen darauf schauen was in anderen Ländern passiert ist, so wie den USA und einigen europäischen Ländern, wo die Person der Hausangestellten nicht so üblich ist, außer in sehr wohlhabenden Familien. In Brasilien ist die Anstellung an sich nicht eine der Besten. In Wahrheit ist sie eine der Schlechtesten, was die Regulierungen betrifft. Viele Menschen haben sich mit dieser Arbeit abgefunden, weil sie keine anderen Möglichkeiten hatten, aber mittlerweile gibt es nicht mehr viele Leute, die dieser Art von Verpflichtung nachkommen wollen. Es gibt andere Möglichkeiten am Arbeitsmarkt. Das ist die große Veränderung. Wer arbeiten möchte findet eine Stelle. Vielleicht nicht im Traumberuf, aber es gibt viele Optionen. Der Lohn einer Verkäuferin zum Beispiel, kann sogar mit dem Verdienst einer Hausangestellten verglichen werden. Aber von vielen Frauen wird die Arbeit als Hausangestellte nicht als gute Arbeit angesehen.Nicht wegen der Art der Tätigkeiten, sondern wegen der Anstrengungen.

Ist das ein Weg ohne Rückkehr?
Es wird nur eine Wende geben, wenn es eine große Veränderung in der Gesellschaftsstruktur gäbe. Es ist Tatsache, dass in Brasilien, auch bei sinkender Anzahl der Hausangestellten, irgendjemand weiterhin die Häuser putzen, das Essen kochen und das Geschirr abwaschen muss, falls die Hausherren diese Arbeiten nicht machen können. In den USA stellen die Familien Putzfirmen an, die fünf oder mehr Personen zur Verfügung stellen, um die Arbeit in einer Stunde zu erledigen.

Früher konnte ein begabtes Mädchen kochen, sticken, bügeln. Die Arbeit der abhängigen Frauen war eine enorme Last. Als die Frauen begannen, außerhalb des Haushaltes zu arbeiten, sprachen die Feministinnen von doppelter Arbeitszeit, weil die Arbeit wirklich verdoppelt wurde. In diesem Kontext sind die Hausangestellten an die Stelle der Frauen getreten, die außer Haus arbeiten gingen. Aber das wird wahrscheinlich nicht mehr so häufig vorkommen. Die Paare werden sich neu strukturieren müssen, oder sehr viel dafür bezahlen, dass jemand die Arbeiten täglich macht.

Hat der Rückgang des Angebotes an Hausangestellten die Formalisierung dieser Arbeiterklasse unter Druck gesetzt?
Information wurde demokratisiert und es gab Verbesserungen in der Bildung. All das hat dazu beigetragen, dass die Leute neue Ambitionen entwickelt haben. Mit den neuen Ambitionen haben sie begonnen etwas Anderes zu suchen. Es ist Fakt, dass Brasilien zivilisierter ist als früher. Zu Beginn erscheint die Demokratie nur wie ein Anstrich, aber mit der Zeit werden die Rechte erhöht. In dem Ausmaß, in dem wir unsere Demokratie perfektionieren, werden neue Rechte entstehen. Die Arbeit entwickelt sich in dem Ausmaß, in dem sich die Gesellschaft entwickelt. Tatsächlich wird eine Hausangestellte sehr oft als ein Bürger zweiter Klasse angesehen - und die Leute wollen das nicht mehr.

Es gibt Ökonomen die gegen den PEC der Hausangestellten sind, weil sie glauben dass Brasilien zuerst dafür sorge tragen sollte, dass das bestehende Gesetz zum Schutz dieser Arbeiterklasse eingehalten wird, bevor es ausgeweitet wird. Stimmen Sie dem zu?
Das neue Gesetz bedeutet einen zivilisatorischen Fortschritt, der spät kommt. Nicht alle der Hausangestellten haben Ferien, freie Tage oder einen Arbeitsvertrag, alles Dinge, die schon seit langer Zeit Gesetz sind. In anderen Worten: wir werden nicht durch den PEC zu einem wundervollen Land mutieren. Der Arbeitgeber nützt noch immer die Ignoranz des Arbeiters aus.

Kann der Einfluss des PEC auf den Markt Entlassungen auslösen?
Mit Sicherheit wird es viele Ungerechtigkeiten geben und viele Hausangestellte werden entlassen werden. Der einzelne Arbeitgeber kennt nicht die gesamte Arbeitsgesetzgebung und diese neue Situation wird das Arbeitsgericht mit Prozessen verstopfen. Denn jetzt werden die Hausangestellten einfordern wollen, was sie bis jetzt nicht hatten.

Kann man sagen, dass das Ende der Hausarbeit die größte Veränderung ist, die in den letzten Jahren am Arbeitsmarkt passiert ist?
Die Veränderungen waren eher konzeptioneller Art. Gegen Ende der 70er Jahre gab es hohe Arbeitslisigkeit im Land, aber die Arbeiter begannen zu verstehen dass, wenn sie sich vereinigten, die Dinge anders sein könnten. Die erste große Veränderung kam damit, mit der Geburt der Gewerkschaftsbewegung, um die Arbeiterklassen zu vertreten. Dann kam die bessere Schulbildung, die in den 90er Jahren aufgewertet wurde, als der damalige Bildungsminister Paulo Renato es schaffte, dass 96% der Menschen im Schulalter in die Schule eintraten. Aber trotzdem gab es nicht viele Arbeitsplätze. Heutzutage suchen Firmen Personen, mit längerer Schulbildungszeit - und das trifft auch auf viele zu, auch wenn die Qualität der Bildung noch nicht sehr gut ist. Eine andere große Veränderung kam in den letzten zehn Jahren, als die Menschen zu begreifen begannen, dass es auch eine Investition in die Zukunft der Familie ist, ihre Kinder in der Schule zu lassen. In der Vergangenheit begannen die Kinder mit zwölf Jahren zu arbeiten weil sie Geld verdienen mussten und konnten deshalb nicht lernen.

In den großen Hauptstädten liegt der Lohn der Hausangestellten insgesamt weit über dem Mindestlohn- und ist sogar höher als die Löhne anderer Berufe. Glauben Sie, dass dadurch die Hausarbeit lateinamerikanische Immigranten anziehen könnte?
Das glaube ich nicht. In anderen Ländern funktionierte diese Art der Immigration weil die Migranten nicht durch die Arbeit, sondern durch die Möglichkeit mehr zu verdienen als in ihren Herkunftsländern, angezogen wurden. Brasilien kann Arbeitskräfte importieren, aber wer möchte hier her kommen? Was für uns gut ist, erscheint nicht allen gut. Die Werbung die noch immer gemacht wird handelt von Tod und Gewalt. Die Vorstellung, die die Leute von unserem Land haben, ist nicht die von einem Ort der so vielversprechend ist wie die USA oder Europa. Viele Ingenieure kamen aus dem Ausland auf der Suche nach hohen Gehältern, weil es hier einen Mangel an diesen Arbeitskräften gibt. Aber diese Gehälter sind nicht die einer Hausangestellten. Man muss verstehen, dass die Verminderung der Anzahl an Hausangestellten sogar das Schicksal von Haiti sein wird, wenn das Land eine bessere Einkommensverteilung haben wird und demokratischer sein wird.

Die Figur der Hausangestellten in Brasilien ist sehr sinnbildlich – sie ist eine nationale Ikone. Das trifft auf die USA zum Beispiel nicht zu. Bis wann wird das andauern?
Brasilien steuert auf das Ende dieses Symbols zu. Hausangestellte nur für jemand, der viel Geld hat um sich das leisten zu können. Der Prozess hat hier schon begonnen und wird noch beschleunigt werden, hauptsächlich in São Paulo, wenn wir Vergleiche zum Beispiel mit Städten landwirtschaftlichen Lebens anstellen. Aber ich traue mich nicht zu sagen wie lange das dauern wird. Aber es ist eine zivilisatorische Forderung. Und das Leben ohne Hausangestellte wird eine Konsequenz daraus sein.



Ligia Tuon

Brasilien erreicht 263 Millionen aktive Handyanschlüsse


Die Branche der mobilen Telefonie registrierte 785,7 Tausend neue Verträge im Februar dieses Jahres, was ein Wachstum von 0,3% der Anschlüsse bedeutet. Brasilien hat mit Ende des Monats 263 Millionen aktive Handyanschlüsse und eine Teledichte von 133,25 Zugängen pro 100 Einwohner.

In Übereinstimmung mit den Zahlen die heute (22) von der Agência Nacional de Telecomunicações veröffentlicht wurden, ist die Mehrzahl der im Februar registrierten Anschlüsse (80,27%) vorausbezahlt, 19,73% werden im Nachhinein bezahlt. Die Terminals des mobilen Breitbandes haben insgesamt 65,68 Millionen Zugriffe verzeichnet.

Im Februar hat der Betreiber Vivo den Markt angeführt, mit 28,83% Marktanteil, gefolgt von TIM, mit 36,88% und Claro mit 25,12%, OI mit 18,83%, CTBC mit 0,30% und Sercomtel mit 0,03%. Porto Seguro, ein Betreiber der die Zulassung von Rede Virtual hat, registrierte 0,01% der Anmeldungen.

Die meisten Handys pro Einwohner werden im Distrito Federal verzeichnet: 218,58 aktive Anschlüsse pro 100 Einwohner. Der Staat mit der größten Teledichte ist Maranhão, mit 91 mobilen Anchlüssen pro 100 Einwohner.


Freitag, 22. März 2013

Krankheiten, die durch Übergewicht ausgelöst werden, kosten SUS (Sistema Único de Saúde öffentliches Gesundheitssystem, Anm.) fast eine halbe Milliarde Reais

Das Gesundheitsministerium verweist darauf, dass sich 25% dieses Wertes auf Patienten mit krankhaftem Übergewicht beziehen

Das Gesundheitsministerium hat heute (19) die Information bekanntgegeben, dass Krankheiten in Verbindung mit Fettleibigkeit die öffentliche Hand jährlich 488 Millionen Reais kosten. Die veröffentlichten Daten zeigen, dass sich 25% dieses Wertes auf Patienten beziehen, die krankhaft übergewichtig sind und, so Minister Alexandre Padilha, ca. 60 mal mehr kosten als eine leicht übergewichtige Person.

Die Untersuchung der Universität Brasilia (UnB), die diese Werte darlegte, berücksichtigte Daten von Krankenhausaufenthalten und von Behandlungen mittlerer und hoher Komplexität, in der Behandlung von Fettleibigkeit und 26 anderen Krankheiten, die damit zusammenhängen, so wie einige Krebsarten, Ischämien und Diabetes.

Die Studie „Überwachung von Risikofaktoren und Schutz vor chronischen Krankheiten“, die 2011 vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben, und mittels Telefonbefragung (Vigitel) durchgeführt wurde, hat ergeben, dass der Anteil an Übergewichtigen zwischen 2006 und 2011 von 11,4% auf 15,8% angestiegen ist.

Die Untersuchung des Familienhaushalten (POF) von 2009 zeigte, dass 21,7% der Brasilianer zwischen 10 und 19 zu viel Gewicht haben; 1970 lag dieser Wert bei 3,7%. Die Daten dokumentieren, dass 1,14% der Frauen und 0,44% der Männer an schwerem Übergewicht leiden, was einem Anteil von 0,8% der Gesamtbevölkerung entspricht.

Insgesamt gibt es 14,8 Millionen übergewichtige Brasilianer. Das sind fast so viel wie die Hälfte der Übergewichtigen in den Vereinigten Staaten. Minister Padilha verwies darauf, dass unter Personen mit bis zu Acht Jahren an Schulbildung die Anzahl an Übergewichtigen doppelt so hoch ist, als in der Bevölkerung mit längerer Bildungszeit. Außerdem hob er hervor, dass der Großteil der Übergewichtigen aus ärmeren Bevölkerungsschichten kommt.
 

Weibliche Unternehmen

Der Anteil an weiblichen Unternehmern ist in den letzten Jahrzehnten weltweit gewachsen wobei die Brasilianerinnen unter den geschäftstüchtigsten Frauen der Welt sind. Eine Studie der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) von 2010 zeigt, dass die Hälfte der brasilianischen Unternehmer weiblich sind (49,3%), das bedeutet, dass 10,4 Millionen Frauen ihre eigenen Firmen leiten.

Eine Erhebung der Sebrae (Serviço Brasileiro de Apoio às Micro e Pequenas Empresas, eine Institution zur Unterstützung von Klein- und Kleinstunternehmern, Anm.) zeigt, dass 45 von 100 Einzelunternehmern Frauen sind. Und circa 61000 von ihnen stehen an der Spitze eines Franchises, das um 32% mehr einnimmt, als Geschäfte die von Männern geleitet werden, so die Beraterfirma Rizzo Franchise, die auf diesen Geschäftsbereich spezialisiert ist. Insgesamt sind Frauen für den Unterhalt von 35% der brasilianischen Haushalte verantwortlich.

Die Erhöhung der weiblichen Mitwirkung im ökonomischen Leben des Landes ist eng mit den Fortschritten im Bereich der Ausbildung verbunden und auch mit den Veränderungen der familiären Strukturen. Heutzutage haben brasilianische Familien weniger Kinder und neue Werte, was die Einordnung von Frauen in die Gesellschaft betrifft.

Frauen investieren aus den selben Motiven wie Männer in ihre Unternehmen. Also einerseits um sich selbst und ihre Familien zu ernähren, andererseits um ihre Leben mit einer Karriere zu bereichern und natürlich um finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen.

Die Ökonomin Gina Paladino, die die Studie GEM 2010 begleitet hat, nennt als wichtigste weibliche Eigenschafte der Unternehmerinnen ein höheres Niveau der Vorbereitung: Frauen planen besser und versuchen den Markt in dem sie sich bewegen besser zu verstehen.

Außerdem ist die Überlebensrate von Unternehmen, die von Frauen gegründet wurden größer. Es sind kleinerer Geschäfte und die Tendenz geht eher in den Dienstleistungssektor, wie eine Erhebung vom Instituto Brasileiro de Qualidade e Produtividade (IBQP) für die Studie GEM 2010 zeigt. In 33% der Fälle bevorzugen Frauen Tätigkeiten, die mit dem Einzelhandel verknüpft sind, 20% investieren in Ernährung und 12% in die Fertigungsindustrie.

Ana Fontes, Direktorin des Netzwerkes Rede Mulher Empreendedora, glaubt, dass Frauen eine andere Art haben Geschäfte zu machen: sie beteiligen sich mehr und sind nicht so aggressiv in der Unternehmensführung. „Sie tauschen sich gerne mit Geschäftspartnern, Angestellten und Mitarbeitern aus und sind außerdem bedächtiger“ erklärt sie. Dadurch planen Frauen besser, aber sie machen auch langsamer Fortschritte.

Sebrae hat die wachsende Tendenz von Frauen in unternehmerischen Aktivitäten erkannt und 2004 den Preis „Prêmio Mulher de Negócios“ eingeführt, um Frauen die in ihre Träume investiert haben Anerkennung zukommen zu lassen. Mit dem Schwerpunkt auf Besitzerinnen von Klein- und Kleinstunternehmen oder Mitgliedern der Gruppe der formalen Produktion (Kooperativen und Vereine) wird der Preis zuerst auf Regional- und Landesebene verliehen. Die Finalistinnen nehmen an der nationalen Preisverleihung teil und die Gewinnerin aller Phasen wird zu einer internationalen Reise eingeladen um einen Unternehmensstandort kennenzulernen.

Für Vera Lucia Isaias, Analystin der Unternehmensführung von Sebrae São Paulo, ist der Preis eine Möglichkeit schöne Geschichten von Entschlossenheit und Beharrlichkeit zu sammeln. „Diese Frauen zeigen, dass sie sich fokussieren, Risiko mit Vorsicht eingehen und ihre Ziele mit Erfahrungen erreichen, die viele andere Unternehmerinnen inspirieren.“

http://www.brasil.gov.br/secoes/mulher/atuacao-feminina/avanco-da-mulher (19.3. 1013)

Sonntag, 17. März 2013

Fotos von nackten Indiofrauen werden nach Entfernung mit schwarzen Balken zensiert

Außer ihren Ketten, dem bunten Federkopfschmuck und den Körperbemalungen haben die Indiofrauen, die die Seite des Filmes „As Hiper Mulheres“ auf dem sozialen Netzwerk Facebook illustrieren, jetzt auch einen schwarzen Balken über den Brüsten und Geschlechtsorganen, um weiterhin im Netzwerk zu bleiben.

Die Maßnahme wurde von der Produktionsfirma Vitrine Filmes ergriffen, die die Seite auf Facebook verwaltet, nachdem die amerikanische Firma die Fotos offline genommen hat. Dies wurde gemacht, weil angeblich die Erklärung der Rechte und Pflichten von Facebook verletzt wurde.

„As Hiper Mulheres“ ist eine Dokumentation in der Carlos Fausto, Leonardo Sette und Takumã Kuikuro regie führen, und die von "Jamurikumalu" handelt, das größte weibliche Ritual in der Region Alto Xingu, in Mato Grosso. Der Film hat am Festival von Gramado den Spezialpreis der Jury und den Preis für den besten Schnitt gewonnen und hat am 26. April Premiere.

Laut Carlos Fausto, 49, Anthropologe und Regisseur des Filmes, stammen die Fotos der Indiofrauen von einem Ritual, in dem sie einen männlichen Platz einnehmen und dafür sozusagen in Festkleidung auftreten.

„Von dem Gesichtspunkt der Indios sind sie sehr schön angezogen und geschmückt. Das Ritual ist etwas äusserst positives, es handelt von Fragen des Geschlechts, der Musik und der Sexualität. Facebooks Standpunkt jedoch, oder der Standpunkt desjenigen, der das Foto gemeldet hat, ist, dass das Bild pornografisch ist. Man knn nur das Nackte sehen, was das normalste der Welt ist“, sagt er.

Das Justizministerium verwendet eine Reihe von Kriterien, um die Freigabe von Filmen und Serien zu beurteilen. Filme, die „Nacktheit und Erotik“ enthalten, oder „Nacktheit jeglicher Art, sofern sie ohne Aufruf zur Sexualität dargestellt wird, sowie in wissenschaftlichem Zusammenhang, künstlerisch oder kulturell“ sind vom rating befreit. In der Akte wird als Beispiel eine Dokumentation genannt, die „die Realität eines indigenen Stammes zeigt, in dem die Personen nackt sind“.

Über seine Pressestelle bestätigt Facebook, dass keine spezifischen Fälle kommentiert werden: „ in den Nutzungsbedingungen findet man alle Informationen über Erlaubtes und Verbotenes auf den Seiten von Facebook“

Über „Nacktheit und Pornografie“ in den Richtlinien der Facebook Community bekräftigt die Firma: „(...) bestimmen wir auch Einschränkungen in der Zurschaustellung von Nacktheit. Wir versuchen das Recht der Leute zu respektieren, Inhalte von persönlicher Bedeutung zu teilen, egal ob Fotos einer Skulptur, wie David von Michelangelo, oder Familienfotos vom Stillen eines Kindes“.

In den letzten Jahren wurde von Frauen behauptet, dass sie von der Seite verbannt wurden und der Inhalt ihrer Seiten gelöscht wurde, weil sie zum Beispiel Bilder von stillenden Mütter gepostet hatten.



Freitag, 15. März 2013

Legião Urbana- Que País é esse?


In den Favelas, im Senat
Schmutz auf allen Seiten
Niemand respektiert die Verfassung
Aber alle glauben an die Zukunft der Nation
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?

Im Amazonas, im Araguaia
In der baixada Fluminense
Mato grosso, Minas Gerais und im
Nordosten alles in Frieden
Im Tod ruhe ich mich aus, aber
das Blut fließt frei
befleckt die Papiere und die treuen Dokumente
während der Chef sich ausruht
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?

Dritte Welt, schon vorbei
Witz im Ausland
Aber Brasilien wird reich sein
Wir werden eine Million gewinnen
wenn wir alle Seelen unserer Indios verkaufen
 in einer Versteigerung
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?
Was für ein Land ist das?

Die alte Rivalität: sie haben Messi, zwei Oscars und jetzt einen Papst

Man sagt, dass Gott Brasilianer ist, aber, bei allem Respekt, mit seiner großzügigen Hand hat er auch unseren Nachbarn den Argentiniern Freude bereitet. 1986 in Mexiko hat das Team von Tele Santana den Traum des vierfachen Titels an der Stange zerschellen sehen, während Maradona seinen linken Fuß (und auch die Hand, Herr Schiedsrichter) nutzte, um seine Mannschaft zum zweiten Weltmeistertitel zu führen. 26 Jahre später, inmitten einer anderen Auseinandersetzung, dieses Mal auf dem heiligen Feld des Vatikans, haben sie erneut die Oberhand gewonnen, mit der Wahl Jorge Maria Bergoglios- ab heute Franziskus- zum ersten lateinamerikanischen Papst, den Anfeuerungen für unser Trikot Nummer 10, Don Odilo Scherer zum Trotz. Es wäre ein Fall von kollektivem Bedauern- Himmel, sie haben schon Messi und zwei Oscars, für die „Die offizielle Geschichte“ von Luis Puezeno (1985) und „In ihren Augen“ von Juan Jose Campanella (2010)- aber weil der Neid eine Sünde ist, bleibt nur noch zu sagen: dein Wille geschehe.

Trotzdem müsste man fast ein Heiliger sein, um nicht auf die Provokationen einzugehen, die in den sozialen Netzwerken explosionsartig zunahmen, als die Neuigkeit auftauchte, eingepackt in weißen Rauch. Die argentinischen Brüder haben die Wahl genossen, und nahmen die Gelegenheit war, um den Brasilianern gegenüber anzugeben. „Wir haben den Papst, während euch nur Pelé bleibt“ schrieb ein eher überschwängliches Exemplar- wobei er wenigstens Respekt gegenüber dem Athleten des Jahrhunderts erkennen ließ, dem ewigen Gegner Maradonas.

Es stimmt, die Argentinier haben den grauen Tango in der traditionellen Version (Carlos Gardel, Astor Piazolla) und in der elektronischen (Gotan Project), außerdem unter anderem die Rockmusik von Fito Paez, Charlie Garcia e Los Fabulosos Cadillacs. Und ja, in der Literatur haben sie der Welt Giganten wie Jorge Luis Borges und Manuel Puig Cortázar geschenkt.

Aber Vergleiche in diesen oder anderen Bereichen führen zu nichts, im Speziellen in diesem Moment der Kommunion. Es ist besser, es so zu halten wie der Meister Zagallo, der die Tatsache gefeiert hat, dass der neue Papst am 13. gewählt wurde, in einem Jahr das mit der Zahl 13 endet. „So ein Zufall. 13 ist die Zahl des Glücks. Er wird glücklich sein“ sagte der technische Veteran in einem Interview. Und, so berichtigte er und kommentierte die grün-gelbe „Niederlage“ gut gelaunt:„Das werden wir so akzeptieren müssen“. Was er nicht gesagt hat: Vorzugsweise während wir einen Alfajor (Anm. Argent. Süßware) verdrücken. Amen.


von Carlos Albuquerque

Donnerstag, 14. März 2013

Der neue Papst wurde beschuldigt, an der argentinischen Diktatur mitgewirkt zu haben


  • Verteidiger Bartoglios sagen, dass es keine Beweise gegen ihn gibt
Als sie den Namen des neuen Papstes hörte, fühlte sich die Argentinierin Graciela Yorio, als ob die Welt über ihrem Kopf zusammenbreche. Für sie ist Jorge Mario Bergoglio, seit heute Papst Franziskus, der "intellektuelle Autor der Entführung des geistlichen Jesuiten Orlando Yorio", ihres Bruders, der 1976 für fünf Monate in der "Escola de Mecanica da Marinha"(ESMA) inhaftiert war, eines der größten heimlichen Folterzentren der letzten argentinischen Diktatur (1976-1983).

Die Geschichte wurde im Buch "O silencio" veröffentlicht. Die Opfer Francisco Jalics und Orlando Yorio, die fünf Monate verschwunden waren, waren Begleiter Bergoglios in der Companhia de Jesus, dessen Gemeinde gemeinnützige Arbeiten im Viertel Bajo Flores leistete. Die Verteidiger Bergoglios sprechen davon, dass es keine Beweise gegen ihn gibt und dass der Papst vielen geholfen hat, vor den bewaffneten Kräften während der Diktatur zu fliehen.

Aber die Anschuldigung Verbitskys waren nicht neu. Gerüchte über eine vermutete Zusammenarbeit Bergoglios mit der Diktatur, machten in Argentinien die Runde, verbreitet von Kritikern des konservativen Profils des neuen Papstes. Er wurde sogar wegen vermuteten Verbindungen zur Entführung der Missionare angezeigt, so eine gerichtliche Quelle aus dem Justizpalast.

Im letzten Jahrzehnt sind in der argentinischen Presse klarere Signale von möglichen Mitwirkungen des neuen Papstes an der Diktatur aufgetaucht. Aber es war 2005, als der Jornalist Horacio Verbitsky den damaligen Erzbischof beschuldigte, 1976 an der Inhaftierung zweier geistlicher, die unter seiner Leitung in der Companhia de Jesus gearbeitet haben beteiligt war, und damit die Verdächtigungen erhärtet wurden.

In einem Interview mit "GLOBO" versicherte Estela de la Cuadra, die bis heute ihre Nichte Ana sucht, geboren im Juni 1977 auf einem Tisch in einer Polizeiwachstube, dass "die katholische Kirche eine Person ausgesucht hat, die für uns Familienmitglieder von Opfern der Unterdrückung der Militärs, ein Komplize einer völkermordenden Regierung war."

Die Empörung Gracielas und Esteles zeigt weitgehend, welches Klima am Mittwoch in den Menschenrechtsvereinigungen Argentiniens geherrscht hat. So wurde
der Name des neuen Papstes unter anderem in den Sitzen der "Mães e Avós da Praça de Maio" (Mütter und Großmütter des Platzes des Mais/der Mairevolution) von den Vertretern mit Überraschung und Sprachlosigkeit aufgenommen. Für diesen Teil der argentinischen Gesellschaft, begleitet von linken Führern in sozialen Netzwerken, war die Wahl Bergoglios schwer zu verdauen.

Graciela bedauert, dass "die Kirche bis heute nichts zu den Untersuchungen der Justiz beiträgt. Bergolgio wollte die Archive der Bischofskonferenz nie öffnen"

In Übereinstimmung mit dem Buch Verbitskys, hat Papst Franziskus die Unterstützung des Ordens der von der Militärregierung verfolgten Jesuiten 1976 zurückgezogen. Nach dem Ende der Unterstützung wurden beide verhaftet und gefangen genommen. 2011 entdeckte Verbitsky ein Dokument des argentinischen Außenministeriums (Ministério das Relações Exteriores e Culto), das die Annahme bestätigt. Damals hatte der Ungar Jalics einen Antrag zur Erneuerung seines Passes beantragt. Der Bericht zeigt, dass Bergoglio darlegte, dass es "Verdacht auf Kontakt zu Guerillheiros" und "Gehorsamskonflikte" gab. Der Antrag des Jesuiten wurde abgelehnt.

Bergoglio stimmte Gesprächen mit dem Journalisten, während der Vorbereitungen für das Buch zu, bestritt aber die Zusammenarbeit mit der Diktatur. Laut Bergoglio hat er im Versuch gehandelt,die geistlichen zu retten, als sie in der Escolde de Mecanica Armada gefangen gehalten wurden, einem
Vernichtungslager des Militärregimes.

2010 publizierte der damalige Kardinal das Buch "O Jesuita", in dem er seine Leistung in der Companhia de Jesus von 1973 bis 1979 verteidigte. Im Buch spricht Bergoglio davon, dass Yorio und Jalics die Gründung einer religiösen Verschwörung planten, und den ersten Entwurf des Dokumentes an drei Monsignori überreichten. Er selbst soll auch eine Kopie erhalten haben.

Die ersten Anschuldigungen der Mitwirkung des Papstes an der Diktatur wurden 1986 von Emilio Mignone in seinem Buch „Igreja e ditadura“ erhoben, als Bergoglio außerhalb der kirchlichen Welt ein Unbekannter war. Mignone veranschaulichte die "sinistre Komplizenschaft" mit den Militärs in einer militärischen Operation in der vier Katecheten und zwei derer Ehemänner verschwanden. Gemäß dem Buch des Gründers des Centro de Estudos Legais e Sociais sind seine Tochter Monica Candelaria Mignone und die Präsidentin der Maes da Praca de Maio, Martha Ocampo de Vazquez nie wieder aufgetaucht.