Der Ökonom Walter Barelli glaubt, dass
die Zustimmung zum PEC (Proposta de Emenda da Constituição,
Vorschlag zur Abänderung der Verfassung, Anm.) Entlassungen mit sich
bringen wird - und dass die Realität der brasilianischen
Hausangestellten sich mehr und mehr an die der Europäischen und
Nordamerikanischen anpassen sollte.
Der Fortschritt der Wirtschaft, der in
den letzten Jahren tausende neue Jobs geschaffen hat, wird für das
Ende, zumindest einer Art von Arbeit verantwortlich sein: die Arbeit
der Hausangestellten. Unverwechselbare weibliche Karikatur,
literarische Figur, Protagonistin von Telenovelas und hingebungsvolle
Gegenwart in den Heimen der brasilianischen Mittelschicht, wird der
Beruf der Hausangestellten
der Vergangenheit angehören, genau so wie es in den
entwickelten Ländern eingetreten ist. In der kommenden Woche
wird dem Proposta de Emenda da Constituição (PEC) nº 66/2012, der
auch PEC der Hausangestellten genannt wird, wahrscheinlich im Senat
zugestimmt. Der Vorschlag sieht die Erweiterung der Rechte dieser
Arbeitskategorie vor- und als Konsequenz daraus die Verteuerung der
Kosten für Familien. In der Beurteilung des früheren
Arbeitsministers, des Ökonomen Walter Barelli, bedeutet der
konstitutionelle Schutz paradoxerweise die Verbesserung und
gleichzeitig das Ende dieser Arbeit - wenigstens in der Form, in der
sie bisher geleistet wurde.
In
einem Interview auf der Site der VEJA, argumentiert Barelli, dass es
offenkundig ist, dass einige Arten von Berufen nicht weiter
existieren werden - oder selten werden, genauso wie Brasilien mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und dem Arbeitnehmerentgelt
vorankommt. „Das neue Gesetz ist ein zivilisatorischer
Prozess, der spät kommt. Als Konsequenz daraus wird die Tendenz
dahin gehen, dass Hausangestellte nur sehr wenigen Familien
vorbehalten sein werden. Die Hausangestellten werden sich
den Anforderungen nicht mehr unterwerfen“ sagt der Ökonom, der auch
secretário de Relações com o Trabalho (Staatssekretär für
Arbeitsbeziehungen, Anm.) in den Regierungen von Mário Covas und
Geraldo Alckmin (in São Paulo, Anm.) war.
Der Anstieg der Löhne dieser
Berufsgruppe ist bereits in allen Regionen des Landes Realität. Nur
mehr wenige verdienen den Mindestlohn von 678 Reais. Auch
wenn die finanzielle Situation und die Rechte verbessert werden, die
dann nahe an dem Standard sind, der von der Consolidação das Leis
do Trabalho (CLT, legislative Norm, die die Arbeitsbeziehungen
regelt, Anm.) erwartet wird, geht die Tendenz dahin, dass Berufe
bevorzugt werden, die weniger anstrengend sind. Der Lohn einer
Verkäuferin zum Beispiel kann sogar mit dem Verdienst einer
Hausangestellten verglichen werden. Aber von vielen Frauen wird die
Arbeit als Hausangestellte nicht als angenehme Arbeit angesehen. Nicht wegen der Art der Tätigkeiten, sondern wegen der Anstrengungen“, bekräftigt der Ökonom. Im Folgenden Teile
des Interviews.
Die Entwicklung des Bildungswesens
und des Arbeitsmarktes hat das Angebot an Hausangestellten
vermindert. Was sind die Auswirkungen dieser Situation auf den
Arbeitsmarkt?
Wir müssen darauf schauen was in
anderen Ländern passiert ist, so wie den USA und einigen
europäischen Ländern, wo die Person der Hausangestellten nicht so üblich ist, außer in
sehr wohlhabenden Familien. In Brasilien ist die Anstellung an sich
nicht eine der Besten. In Wahrheit ist sie eine der Schlechtesten,
was die Regulierungen betrifft. Viele Menschen haben sich mit dieser
Arbeit abgefunden, weil sie keine anderen Möglichkeiten hatten, aber
mittlerweile gibt es nicht mehr viele Leute, die dieser Art von
Verpflichtung nachkommen wollen. Es gibt andere Möglichkeiten am
Arbeitsmarkt. Das ist die große Veränderung. Wer arbeiten möchte
findet eine Stelle. Vielleicht nicht im Traumberuf, aber es gibt
viele Optionen. Der Lohn einer Verkäuferin zum Beispiel, kann sogar
mit dem Verdienst einer Hausangestellten verglichen werden. Aber von
vielen Frauen wird die Arbeit als Hausangestellte nicht als gute
Arbeit angesehen.Nicht wegen der Art der Tätigkeiten, sondern wegen der Anstrengungen.
Ist das ein Weg ohne Rückkehr?
Es wird nur eine Wende geben, wenn es
eine große Veränderung in der Gesellschaftsstruktur gäbe. Es
ist Tatsache, dass in Brasilien, auch bei sinkender Anzahl der
Hausangestellten, irgendjemand weiterhin die Häuser putzen, das Essen kochen und das Geschirr abwaschen muss, falls die
Hausherren diese Arbeiten nicht machen können. In den USA stellen
die Familien Putzfirmen an, die fünf oder mehr Personen zur
Verfügung stellen, um die Arbeit in einer Stunde zu erledigen.
Früher konnte ein begabtes Mädchen
kochen, sticken, bügeln. Die Arbeit der abhängigen Frauen war eine
enorme Last. Als die Frauen begannen, außerhalb des Haushaltes zu
arbeiten, sprachen die Feministinnen von doppelter Arbeitszeit, weil
die Arbeit wirklich verdoppelt wurde. In diesem Kontext sind die
Hausangestellten an die Stelle der Frauen getreten, die außer Haus arbeiten
gingen. Aber das wird
wahrscheinlich nicht mehr so häufig vorkommen. Die Paare
werden sich neu strukturieren müssen, oder sehr viel dafür
bezahlen, dass jemand die Arbeiten täglich macht.
Hat der Rückgang des Angebotes an
Hausangestellten die
Formalisierung dieser Arbeiterklasse unter Druck gesetzt?
Information wurde
demokratisiert und es gab Verbesserungen in der Bildung. All das hat
dazu beigetragen, dass die Leute neue Ambitionen entwickelt haben.
Mit den neuen Ambitionen haben sie begonnen etwas Anderes zu suchen.
Es ist Fakt, dass Brasilien zivilisierter ist als früher. Zu Beginn
erscheint die Demokratie nur wie ein Anstrich, aber mit der Zeit
werden die Rechte erhöht. In dem Ausmaß, in dem wir unsere
Demokratie perfektionieren, werden neue Rechte entstehen. Die Arbeit
entwickelt sich in dem Ausmaß, in dem sich die Gesellschaft
entwickelt. Tatsächlich wird eine Hausangestellte sehr oft als ein
Bürger zweiter Klasse angesehen - und die Leute wollen das nicht
mehr.
Es gibt Ökonomen die gegen den PEC
der Hausangestellten sind, weil sie glauben dass Brasilien zuerst
dafür sorge tragen sollte, dass das bestehende Gesetz zum Schutz
dieser Arbeiterklasse eingehalten wird, bevor es ausgeweitet wird.
Stimmen Sie dem zu?
Das neue Gesetz bedeutet einen
zivilisatorischen Fortschritt, der spät kommt. Nicht alle der
Hausangestellten haben Ferien, freie Tage oder einen Arbeitsvertrag, alles
Dinge, die schon seit langer Zeit Gesetz sind. In anderen Worten: wir
werden nicht durch den PEC zu einem wundervollen Land mutieren. Der
Arbeitgeber nützt noch immer die Ignoranz des Arbeiters aus.
Kann der Einfluss des PEC auf den
Markt Entlassungen auslösen?
Mit Sicherheit
wird es viele Ungerechtigkeiten geben und viele Hausangestellte
werden entlassen werden. Der einzelne Arbeitgeber kennt nicht die
gesamte Arbeitsgesetzgebung und diese neue Situation wird das
Arbeitsgericht mit Prozessen verstopfen. Denn jetzt werden die
Hausangestellten einfordern wollen, was sie bis jetzt nicht hatten.
Kann man sagen, dass das
Ende der Hausarbeit die größte Veränderung ist, die in den letzten
Jahren am Arbeitsmarkt passiert ist?
Die
Veränderungen waren
eher konzeptioneller Art. Gegen
Ende der 70er Jahre gab es hohe Arbeitslisigkeit im Land, aber die
Arbeiter begannen zu verstehen dass, wenn sie sich vereinigten, die
Dinge anders sein könnten. Die erste große Veränderung kam damit,
mit der Geburt der Gewerkschaftsbewegung, um die Arbeiterklassen zu
vertreten. Dann kam die bessere Schulbildung, die in den 90er Jahren
aufgewertet wurde, als der damalige Bildungsminister Paulo Renato es
schaffte, dass 96% der Menschen im Schulalter in die Schule
eintraten. Aber trotzdem gab es nicht viele Arbeitsplätze.
Heutzutage suchen Firmen Personen, mit längerer Schulbildungszeit
- und das trifft auch auf viele zu, auch wenn die Qualität der
Bildung noch nicht sehr gut ist.
Eine andere große Veränderung kam in den letzten zehn Jahren, als
die Menschen zu begreifen begannen, dass es auch eine Investition in
die Zukunft der Familie ist, ihre Kinder in der Schule zu lassen. In
der Vergangenheit begannen die Kinder mit zwölf Jahren zu arbeiten
weil sie Geld verdienen mussten und konnten deshalb nicht lernen.
In den großen Hauptstädten liegt der
Lohn der Hausangestellten insgesamt weit über dem Mindestlohn- und
ist sogar höher als die Löhne anderer Berufe. Glauben Sie, dass dadurch
die Hausarbeit lateinamerikanische Immigranten anziehen könnte?
Das glaube ich
nicht. In anderen Ländern funktionierte diese Art der Immigration
weil die Migranten nicht durch die Arbeit, sondern durch die
Möglichkeit mehr zu verdienen als in ihren Herkunftsländern,
angezogen wurden. Brasilien kann Arbeitskräfte importieren, aber wer
möchte hier her kommen? Was für uns gut ist, erscheint nicht allen
gut. Die Werbung die noch immer gemacht wird handelt von Tod und
Gewalt. Die Vorstellung, die die Leute von unserem Land haben, ist nicht die von einem
Ort der so vielversprechend ist wie die USA oder Europa. Viele
Ingenieure kamen aus dem Ausland auf der Suche nach hohen Gehältern,
weil es hier einen Mangel an diesen Arbeitskräften gibt. Aber diese
Gehälter sind nicht die einer Hausangestellten. Man muss verstehen,
dass die Verminderung der Anzahl an Hausangestellten sogar das
Schicksal von Haiti sein wird, wenn das Land eine bessere
Einkommensverteilung haben wird und demokratischer sein wird.
Die Figur der Hausangestellten in
Brasilien ist sehr sinnbildlich – sie ist eine nationale Ikone. Das
trifft auf die USA zum Beispiel nicht zu. Bis wann wird das andauern?
Brasilien steuert auf das Ende dieses Symbols zu. Hausangestellte nur für jemand,
der viel Geld hat um sich das leisten zu können. Der Prozess hat
hier schon begonnen und wird noch beschleunigt werden, hauptsächlich
in São Paulo, wenn wir
Vergleiche zum Beispiel mit Städten landwirtschaftlichen Lebens
anstellen. Aber ich traue mich nicht zu sagen wie lange das dauern
wird. Aber es ist eine zivilisatorische Forderung. Und das Leben ohne
Hausangestellte wird eine Konsequenz daraus sein.
Ligia Tuon
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