Die Verbindung besteht
darin, dass die selbe Logik, die geschlossene Wohnanlagen fördert,
auch einen Großteil der Brasilianer, für viele Stunden täglich, zu
einem teuren und ineffizienten öffentlichen Transport verurteilt:
die Logik der Exklusion durch Distanz.
Von der Ankunft der
Portugiesen bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, hat diese
Logik in eine einzige Richtung funktioniert, die besagte: je näher
am Zentrum (wo immer die beste Infrastruktur konzentriert war), desto
teurer.
Während
vieler Jahrhunderte, wurden die Ärmeren an die Peripherien der Stadt
gedrängt, wo der Grund billiger war, oder auf die Hügel und in
überschwemmtes Land, das deswegen keinen Wert hatte, auch wenn es
näher am Zentrum war. Die induzierte (und deshalb verfrühte)
Vertikalisierung, die in Rio und in São Paulo
seit den 1940er Jahren eingetreten ist, -
Copacabana und Higienópolis
zum Beispiel- war eine Art, um teuren Raum zu schaffen, der noch nahe
an den Zentren der jeweiligen Städte war, wo alles Wichtige
passierte. Das Wachstum der Automobilindustrie in Brasilien in den
1950er Jahren beginnt diesen Zustand zu ändern und ermöglicht eine
beginnenden Suburbanisierung, wie in Nordamerika. Klassische
Beispiele dafür sind Morumbi und São
Conrado.
Ab den 1970er Jahren
wurden durch den Bau von Autobahnen im Rahmen des „primeiro PAC“
(Wachstumsprogramm, Anm.) der Bau der ersten geschlossenen
Wohnanlagen erleichtert, die bekannteste davon Alphaville de
Barueri. Diese Zeit wurde auch die Zeit des
brasilianischen Wunders genannt. Es ist interessant zu
verstehen, dass der Vorschlag der geschlossenen Wohnanlagen auf der
Idee „zurück zur Natur“ basiert, also auf einem idyllischen und
pastoralen Lebensstil. Diese Idee hat ihre Wurzeln im
angelsächsischen Modell, demzufolge die Natur reinigt, die Stadt, im
Gegensatz dazu, pervertiert. Im mediterranen Modell sind die Stadt
und die Natur zwei komplett getrennte Einheiten und die Zivilisation
ist immer nur im urbanen Raum ansässig, niemals auf dem Land.
Ein fundamentaler Widerspruch liegt
darin, dass die geschlossenen Wohnanlagen in der Realität eine
Bedrohung für die Natur darstellen. Der Vorstoß auf die peripheren
Gebiete entfernt die natürliche Vegetation und weitet die Grenzen
des bewohnbaren Raumes aus, wobei Asphalt, Stromnetz und Rasen die
ursprüngliche Landschaft ersetzen. Die Arbeit von Professorin Regina
Horta Duarte da UFMG (DUARTE, 2012) zeigt diesen Prozess, noch zu
Beginn, in den 50er Jahren.
In letzter Zeit haben die geschlossenen
Wohnanlagen in Brasilien den Diskurs des nordamerikanischen New
Urbanism aufgenommen. Der als Reaktion auf den Prozess der
Suburbanisierung in den USA entstandene New Urbanism schlägt dichter
besiedelte Städte vor, die weniger von Autos abhängig und
vielseitig sind (Geschäfte und Wohnbereiche gemeinsam).
Genaugenommen hat der New Urbanism eine
konservative Ästhetik aufgenommen (LARA, 2001) und war erfolgreich
in exklusiver und homogener Parzellierung, in einem sozioökonomischen
Standpunkt. Die Logik der Exklusion durch Distanz war durch den New
Urbanism nie gefährdet, und aus Konsequenz daraus, hat er sich auch
nie dazu geeignet existierende Städte zu verbessern.
Hingerissen von der Idee, dass die
Stadt der Ort der Armut und des Protestes sei, verlässt die
höhergestellte Mittelschicht in den vereinigten Staaten in den
1960er und 70er Jahren und in Brasilien in den 80er und 90er Jahren,
die urbanen Zentren mit ihrer ganzen Infrastruktur und zieht sich in
die geschlossenen Wohnanlagen zurück. Im brasilianischen Fall, gibt
es einen erschwerenden Umstand, nämlich den, dass diese Wohnanlagen
weniger dicht besiedelt sind, mehr vom Auto abhängig und absolute
Wohngegenden sind, also das perfekte Gegenteil zu den Vorschlägen
des New Urbanisms. Aber die konservative Ästhetik und die Idee der
Rückkehr in eine idyllische Vergangenheit, verkauft sich gut (LARA,
2011) außerdem natürlich, die Schwierigkeit des Zugangs, die mit
dem magischen Wort übersetzt werden kann: Exklusivität.
Exklusivität ist die geschmackliche
(und deshalb gut verkäufliche) Schwester des Wortes Exklusion. Die
Distanz, durch die geschlossenen Wohnanlagen vom Rest der Stadt
getrennt werden, ist eine Art von unsichtbarer Mauer, die die Nicht-
Diversität jedes einzelnen Stückes fruchtbarer Erde garantieren.
Ich verwende hier den Begriff
fruchtbare Erde, weil sie, die Erde, die Wurzel des ganzen Prozesses
der Exklusion ist, den wir auf die harte Tour demolieren werden,
zwischen Gummigeschossen und Tränengas, wie am 13. und 17. Juni
2013. Das liegt daran, dass die Revolution des „passe livre“ ein
extrem wichtiger Schritt wäre, um die perverse Logik der räumlichen
Exklusion zu demontieren oder wenigstens abzuschwächen. Mit einem
öffentlichen Transportsystem, das gratis, oder wirklich
subventioniert wäre, würde sich ein starker Preisvorteil für
Grundstücke der Peripherie ergeben. Das ist der Schlüssel der
Frage, die in der näheren Zukunft gelöst werden muss. Ich dachte,
dass die Weltmeisterschaft uns kein Vermächtnis hinterließe und
verstehe jetzt, dass ich falsch lag. Die Proteste sind das größte
Vermächtnis der Weltmeisterschaft 2014.
Fernando
Luiz Lara ist Architekt und Professor der University
of Texas at Austin, wo
er derzeit das Brazil
Center no Lozano Long Institute of Latin American Studies leitet.
DUARTE, Regina H. (2012). “It Does Not Even Seem Like We Are in Brazil”: Country Clubs and Gated Communities in Belo Horizonte, Brazil, 1951–1964, Journal of Latin American Studies / Volume 44 / Issue 03 / August 2012, p. 435-466.
LARA, Fernando (2001). Vizinhos do Pateta. Arquitextos, São Paulo, 01.011, Vitruvius, abr 2001 <http://www.vitruvius.com.br/revistas/read/arquitextos/
01.011/899>.
LARA, Fernando (2011). New (Sub)Urbanism and Old Inequalities in Brazilian Gated Communities, Journal of Urban Design, Volume 16, Issue 03, p. 369-380.
http://www.revistaforum.com.br/blog/2013/08/exclusao-pela-distancia-e-a-negacao-da-cidade/ von Fernando Luiz Lara